21 cm Linienstrahlung des neutralen Wasserstoff

Die interstellare Materie besteht zu 99 % aus Gas (ISM, InterStellarMatter). Wasserstoff, das häufigste Element im Universum, hat daran einen Anteil von rund 90 %. Die ISM wird fachlich in so genannte H1- und H2-Gebiete (HI, HII) unterteilt. Bei den HII-Gebieten handelt es sich um Regionen mit ionisierten Wasserstoff bei Temperaturen mit bis zu 10.000K. Diese HII-Gebiete leuchten im sichtbaren Licht rötlich (z. B. großer Orionnebel). In den wesentlich kälteren HI-Regionen des neutralen Wasserstoffes (etwa 100K) befinden sich aufgrund des niedrigen Anregungsgrades im Prinzip alle Atome im Grundzustand.

 

Dennoch kann eine HI-Region kontinuierlich beobachtet werden, da sie Ausgangpunkt der Emission einer Spektrallinie mit einer Wellenlänge von Lambda = 21,1 cm ist.  

 

Warum ist das so? 

Innerhalb des Grundzustandes des Wasserstoffatoms kann es zu einem Hyperfeinstruktur-Übergang kommen. Sowohl das Proton als auch das Elektron besitzen in einem etwas höheren Energieniveau den Gesamtspin F = 1 (Kern- und Elektronenspin parallel). Kippt der Spin des Elektrons in die entgegen gesetzte Richtung, herrscht in dem Grundstand der Gesamtspin F = 0 (Kern- und Elektronenspin sind antiparallel). Durch die Freisetzung der geringen Energiedifferenz von 6 x 10e-6 eV wird ein Radioquant mit der Wellenlänge Lambda = 21,1061 cm bzw. der Frequenz 1420,4058 MHz. ausgesendet.

 

Diese labortechnisch ermittelte Frequenz besteht aber nur in einem idealen,  zum Beobachter hin ruhendem Bezugssystem. Da im Universum, bezogen auf einen Beobachter auf der Erde, alles in Bewegung ist, verschiebt sich diese Ruhefrequenz je nach dem, ob wir uns auf das angepeilte Obiekt, eine Wasserstoffwolke, zu bewegen oder von ihr fortbewegen. Mittels dieses so genannten Dopplereffekts kann über diese Spektrallinie unter anderem die Rotationsgeschwindigkeit der Milchstraße ermittelt werden, indem die gemessene Verschiebung der empfangen Frequenz unterschiedlicher Wasserstoffwolken im Weltraum Rückschlüsse auf deren relative Geschwindigkeit zur Erde gibt. So konnte auch 1951 erstmals die Spiralstruktur unserer Heimatgalaxie nachgewiesen werden.

 

Der bei DG2NEU vorhandene 380cm große Parabolspiegel und der gesamte nachgeschaltete Verstärkerzug kann für den direkten Empfang der Spektrallinie des neutralen Wasserstoff bei 1420 MHz ausgerüstet werden.

 

Vom Primärfokus gelangt dann ein stufenweise um ca. 40 dB verstärktes Rauschsignal mit ca. 200 MHz Bandbreite zur Weiterverarbeitung in den Radioraum.

 

Das nebenstehende Bild zeigt den Spektralbereich des verstärkten Antennensignals zwischen 1300 und 1500 MHz mit einem Marker bei 1420 MHz links von der Skalenmitte. Zur Weiterverarbeitung wird es anschließend auf 455KHz herunter gemischt und auf wenige KHz in der Bandbreite begrenzt. Danach wird das Rausch-Signal-Gemisch, welches auch das gesuchte Wasserstoffliniensignal enthält gefiltert und integriert bis sich schließlich das Nutzsignal der Linienstrahlung aus dem Rauschen heraus hebt.


Nachtrag:

Inzwischen wurde nach dem pHEMT-Vorverstärker im Primärfokus des Spiegels ein Interdigitalfilter gesetzt um die zunehmend stärkeren Störungen der Mobilfunkanwendungen unterhalb und oberhalb von 1420 MHz zu unterdrücken. Unmittelbar im Anschluß arbeitet ein weiterer Vorverstärker mit ca. 18 dB Gain und weniger als 1 dB Eigenrauschen.

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Die folgende Auflistung enthält einige Radioquellen bei 1420 MHz aus dem dritten Cambridge Catalog 3C mit Flussdichten bis 11 Jansky. Der dort genannte Radiofluss beschreibt die Stärke der detektierbaren Kontinuumstrahlung. Diese Radiostrahlung ist termischen Ursprungs und nicht zu verwechseln mit der wesentlich stärkeren Linienstrahlung des neutralen Wasserstoffs. Beobachtungen von Radioquellen im Kontinuum sollten deshalb nicht direkt auf der Ruhefrequenz von 1.420.405 MHz durchgeführt werden.  Bei meinen Beobachtungen arbeitet des Empfangssystem in der Regel unterhalb der Wasserstofflinie auf 1.418.000 oder 1.419.000 MHz.